1. Einführung
Willkommen in der ersten Lektion. Wir freuen uns so darauf, unser Wissen mit dir zu teilen, damit du nicht mehr die gleichen Fehler machst und deine Planungszeit deutlich verkürzt wird. Damit wir auch vom gleichen reden, hier erstmal kurz die Definition von Tiny Houses und was wir persönlich darunter verstehen.
Einführung und Definition
Tiny Houses sind ja gerade stark im Trend, haben aber keine genaue Definition. Deswegen erklären wir dir erstmal, was wir darunter verstehen :).
Was ist ein Tiny House?
Die Tiny House Bewegung kommt ursprünglich aus den USA und wortwörtlich übersetzt handelt es sich um ein ‚winziges Haus‘. Ab wann ein Haus nun klein oder gar winzig ist, steht nirgends genau festgeschrieben, jedenfalls nicht so offensichtlich. Doch gibt es beispielsweise in Deutschland verschiedene Gesetze für unterschiedlich grosse Wohnräume. Ab 50qm muss laut Energiesparverordnung anders gedämmt werden als in kleineren Gebäuden.
Alternative Wohnformen gibt es viele, die unter diese Kategorie fallen würden – Jurten, Bauwagen, Wohnwagen, Containerhäuser, Baumhäuser – sie sind ja auch alles winzige Behausungsmöglichkeiten. Doch Tiny Houses grenzen sich (jedenfalls nach unserer hier verwendeten Definition) dadurch ab, dass sie tatsächlich kleine Häuschen sind. Sie haben alles drin, was man braucht zum Leben – Badezimmer, Bett, Küche – und haben im Vergleich zum Wohnwagen einen Aufbau wie ein Haus. Das heisst, dass sie beispielsweise eine Holzfassade haben und im Ständerbauwerk gebaut sind. Selbst die Form erinnert an ein Haus – auch bei den Modellen auf Rädern. Letztere sind aber meist nicht aerodynamisch und dadurch auch nicht für ständiges Reisen ausgelegt.
Oft sind Tiny House Besitzer auch weniger Nomaden als Leute, die ihr Haus – sofern es denn auf einem fahrbaren Untersatz ist – beim Umzug mitnehmen. Viele Bewohner legen Wert auf ihre Umwelt und sehen in der minimalistischen Lebensweise weniger eine Einschränkung als eine Bereicherung.
Worin unterscheiden sich Tiny Houses von Bauwagen, Zirkuswagen und Wohnwagen?
Im Prinzip können all dies Formen von Tiny Houses sein, sofern sie die Grösse, die Transportmöglichkeit und technische Ausrüstung enthalten. Allerdings sind Wohnwagen beispielsweise nicht wie ein normales Haus aufgebaut, sondern für Urlaub ausgelegt. Sie haben meist recht schlecht isolierte Wände und sind formlich eher auf aerodynamische Aspekte, als auf Hausähnlichkeit ausgelegt. Viele Tiny Houses reizen auch die Höhe aus, was Wohnwagen aus rein praktikablen Gründen nicht tun.
Bauwagen sind im Prinzip das, was auf dem Bau genutzt wird: Eine kleine Baubude mit Blechwänden und Blechdach. Aus Wagenburgen kennt man den Begriff ebenfalls, wo mit meist sehr kleinen finanziellen Mitteln ein Haus auf einen schon vorhandenen (meist günstigen) Trailer gebastelt wird. Das heisst nicht, dass Bauwagen weniger wohnlich sein können. Oft haben Bauwagen aber keine sanitäre Einrichtung, wodurch wir sie nicht als Tiny House bezeichnen würden. Zirkuswagen haben meist ein Runddach und ein Oberlicht und sind manchmal auch mit allen nötigen Einrichtungen (Sanitär und Küche) eingerichtet, wodurch sie ebenfalls zu Tiny Houses gezählt werden können. Wie gesagt, es sind fliessende Übergänge und ohne genaue Definition ist es schwierig, genau sagen zu können, wo die Grenzen sind. Dies ist schlussendlich vielleicht auch nicht nötig.
Kurz zusammengefasst, was ein Tiny House ist:
- Gesamtwohnfläche mit maximal 40qm:
Tiny heisst übersetzt winzig, es ist also kein Bungalow oder Chalet, sondern eben ein winziges Häuschen.
- Mobil entweder auf Rädern oder Punktfundamenten:
Das Tiny House versiegelt keine Grundfläche und kann transportiert werden. - Sind mit allem ausgerüstet, was man zum Leben braucht:
Es ist also Toilette, Wasch- und Kochgelegenheit vorhanden, so dass das Häuschen als Hauptwohnsitz genutzt werden kann.
Warum ein Tiny House?
Wer lebt denn freiwillig auf 20-30 Quadratmeter, wenn jede Wohnung grösser wäre? Gründe, warum wir uns für ein minimalistisches Leben in nachhaltigem Häuschen entschieden haben, gibt es viele:
Ökologische Gründe
Ein Tiny House hat gegenüber einem herkömmlichen viele Vorteile für die Umwelt. Wenn es auf einem fahrbaren Untersatz ist, versiegelt es beispielsweise keinen Boden. Doch auch ein fest verbautes Häuschen braucht natürlich weniger Bodenfläche als ein grosses Haus.
Des Weiteren sind die Unterhaltskosten deutlich niedriger, was sich ganz einfach daraus erklärt, dass weniger geheizt werden muss. Eine 4-Zimmer-Wohnung für zwei Personen einen ganzen Winter lang warm zu halten (auch wenn die zwei Personen den ganzen Tag auf Arbeit sind), ist ein deutlich höherer Energieaufwand als den einen kleinen Raum im Tiny House zu beheizen.
Zudem braucht es weniger Ressourcen, so ein Häuschen zu bauen. Das heisst natürlich auch, dass es viel günstiger ist. Dies wiederum ermöglicht es einigen umweltbewussten Häuschenbauer auf nachhaltige Baustoffe zurückzugreifen, die zwar etwas teurer sind, aber auf die kleine Fläche weniger ins Gewicht fallen. Und dies wiederum lässt hoffen, dass sich die Materialien irgendwann mal besser recyceln lassen – es sind zumindest mal deutlich weniger Abfallmengen, die beim Abriss eines Tiny Houses anfallen.
Es stimmt zwar auch, dass man (die meisten) Tiny Houses nicht stapeln kann und somit mehr Bodenfläche gebraucht wird im Vergleich zu einem Hochhaus, doch gibt es ja immer noch etliche grosse Einfamilienhäuser oder Villen, die ebenfalls gebaut werden dürfen. Gegenüber diesen braucht ein Tiny House wiederum deutlich weniger Bodenfläche.
Finanzielle Gründe
Wie schon oben angetönt, ist ein kleines Haus deutlich günstiger als ein grosses. Bei den heutigen Preisen verschulden sich viele für Jahrzehnte, wenn nicht sogar lebenslang, um den Traum des Eigenheims verwirklichen zu können. Dass dies auch eine grosse Belastung darstellen kann, weil man beispielsweise nicht einfach den Job kündigen kann, der einem nicht mehr gefällt oder dafür plötzlich 100% arbeiten zu müssen, sagt einem wahrscheinlich kein Banker bei der Kreditaufnahme.
Gerade für junge Menschen ist es schwierig, ein eigenes Grundstück zu besitzen, sofern sie es nicht erben oder reich sind. Das Tiny House ermöglicht es aber sogar Studenten, eine preiswerte Unterkunft zu haben.
Denn auch die Mietpreise sind nicht gerade gering, je nach Region sogar sehr teuer. Wer bloss ein kleines Grundstück und Haus oder eine Pacht einer Parzelle beispielsweise zahlen muss, hat plötzlich viel tiefere Lebenskosten. Das wiederum heisst weniger arbeiten, mehr das tun, was man liebt und das Leben geniessen zu können.
Und damit meinen wir jetzt weniger, rumzugammeln vor dem Fernseher, sondern Projekte umzusetzen, die dich richtig erfüllen.
Minimalismus
Für die einen wohl der Alptraum: Den gesamten Besitz zu reduzieren, um ihn auf 20 bis 30 Quadratmeter unterzubringen. Für viele jedoch ist es ein Weg, wieder mehr Sinn in ihr Leben zu bringen. Denn die heutige Konsumgesellschaft trimmt uns buchstäblich dazu, immer mehr Geld zu wollen, mit dem wir dann immer mehr Besitz anschaffen, der uns glücklich machen soll aber nicht tut, sodass wir noch mehr arbeiten, kaufen und besitzen. Ein kleines Haus limitiert den Platz für Feriensouvenirs, Pokale und Dekoartikel, so dass wahrscheinlich automatisch mehr Zeit für das Wichtigste im Leben Platz findet.
Wer hätte nicht gern mehr Zeit für die Familie, für Freunde, um den Traum endlich mal umzusetzen, das Buch zu schreiben, campen zu gehen oder einen Permakulturgarten anzupflanzen. Natürlich ist das Tiny House nicht der Ausweg und nicht die einzige Antwort, um ein tolles Leben zu führen, kann aber durchaus eine sein.
Nähe zur Natur
Wer im x-ten Stock wohnt, weiss, dass die Treppenstufen ein Hindernis sind, um sich kurz raus aufs Gras zu setzen, draussen zu essen oder einfach bloss zwei Minuten frische Luft zu schnappen. Der Balkon ist einfach viel näher. Und falls der nicht vorhanden ist – Kaffee kann man ja auch drinnen trinken. Im Tiny House gibt es kein Treppenhaus – man ist sofort draussen auf der Erde. Und wie wir alle wissen, tut frische Luft und Aufenthalte in der Natur einfach unglaublich gut.
Dazu kommt, dass man wohl oder übel mehr raus geht, da die Fläche im Haus selbst viel kleiner ist und weniger Raum bietet.
Schlussendlich braucht auch das Putzen viel weniger Zeit und dagegen hat sicherlich niemand was ;)
Tiny House = Probleme?
Wir kennen viele Menschen, die von einem Leben im Tiny House träumen. Umsetzen tun es aber nicht so viele. Warum? Die Liste mit den Gründen ist lang – allen voran die Angst, keinen Stellplatz zu finden. Die ist teilweise berechtigt, denn ganz so einfach ist es manchmal nicht. Es ist Aufwand, Arbeit, ein Weg, bis man am Ziel angelangt ist. Ein anderer Tiny House Bauer hat es mal so gesagt: Mit einem Tiny House holt man sich erstmal immer auch eine Menge Probleme ein.
Das liegt daran, dass es leider noch keine Gesetzte für Tiny Houses gibt, sie liegen sozusagen im Graubereich, zählen nicht wirklich als Häuser und auch nicht als Wohnwägen. Das Gute daran? Den Graubereich kann man ausnützen und wenn die Gemeinde von den Vorzügen der Tiny Houses überzeugt ist, wird sich ein Weg finden.
Wir sagen das nicht, um dich gleich am Anfang zu entmutigen. Sondern, um dich emotional auf diesen Prozess vorzubereiten. Denn für jedes Problem gibt es ja bekanntermassen auch (mindestens) eine Lösung. Aber wie das halt so ist, wenn man etwas ins Leben rufen will, was noch nicht im Mainstream und dem Gesetzbuch angekommen ist, hat man mit Vorurteilen, Angst, Problemen und Behörden zu „kämpfen“.
Es wird Leute geben (und gibt sie vielleicht jetzt schon), die es für eine ganz schlechte Idee halten, dass du dir dein eigenes Häusle bauen willst. Weil sie von den Problemen gehört haben. Tja, hatten wir natürlich auch. Uns konnte aber trotzdem nichts davon abhalten. Und siehe da – für all die Probleme fand sich eine Lösung. Wo ein Wille, da ein Weg ;) Ein paar Nerven, einiges an Ausdauer und Vertrauen hat uns das Ganze schon gekostet – aber es hat sich gelohnt.
Übrigens: Sobald wir die Menschen eingeladen haben, unsere Villa Kuntergrün zu besuchen (im fertigen Zustand und im Bauprozess), haben sie gemerkt, dass sie doch keine Angst haben müssen, dass uns das Haus zusammenfällt, dass wir völlig verrückt geworden sind oder dass das Leben darin unmöglich ist. Ganz im Gegenteil – die meisten verliebten sich richtiggehend in unser Tiny Häusle.
Das Beste, was du also von Anfang an tun kannst, ist die positiven Aspekte vom Tiny Living hervorzuheben, Aufklärungsarbeit zu leisten und damit zu zeigen, dass Tiny House Bewohner nicht weniger oder mehr verrückt sind als der Rest :D
Aufgabe
Was sind Vor- und Nachteile am Leben auf kleinstem Raum
- Mache eine persönliche Liste, warum du in einem Tiny House leben möchtest.
- Welche Vorteile würde dir ein Leben auf kleinstem Raum bieten?
- Überlege dir auch, welche Nachteile dies haben könnte.
- Welche Vorteile können Tiny Houses für die Gesellschaft, die Städte und Gemeinden bringen?
- Beobachte dich bis zur nächsten Lektion, welche Bedürfnisse du hast, wo du dich in deiner Wohnung / Umgebung am meisten und am liebsten aufhälst. Falls du gleich weitermachen willst, nimm dir mindestens 14 Tage Zeit, dies zu dokumentieren und überleg dir auch, was die Antwort wäre, wenn eine andere Jahreszeit herrscht.
Teile deine Gedanken gerne im Forum und tausch dich mit Gleichgesinnten aus :)
Weitere Ressourcen
- Weniger ist mehr – nachhaltig wohnen im Tiny House | HELDENLÄNDLE | Regio TV
- 5 etwas andere Gründe, ein Tiny House zu bauen
- 10 Gründe für die Anziehungskraft von Tiny Houses
- Tiny House Architektur Wohnungsnot