Fiona Bayer von Tiny-House-Projekt.ch
Warum hast du dich für ein Tiny House entschieden?
Mich persönlich hat die Idee fasziniert, meine eigenen vier Wände von Grund auf selber gestalten. Die Vorstellung, mein Haus mit den eigenen Händen zu erschaffen und jede Schraube und jeden Balken zu kennen, hat mich begeistert. Zudem hat mir die Wohnform aber auch in vielen weiteren Hinsichten zugesagt: Zunächst mal bin ich der Überzeugung, dass man zufriedener und entspannter ist, wenn man möglichst nur Gegenstände besitzt, die wirklich nützlich sind oder einem wirklich am Herzen liegen (Minimalismus) – und unnötigen materiellen Ballast vermeidet. Ein Tiny House mit begrenztem Platz ermutigt einen automatisch, sich mit dem auseinanderzusetzen, was man wirklich braucht. Darüber hinaus erlaubt das Tiny House mir aber auch finanziellen Freiraum: Da sich die monatlichen Ausgaben auf ein Minimum reduzieren, muss ich weniger arbeiten und kann mehr Zeit in Hobbys, Freundschaften, Familie oder gesellschaftliches Engagement investieren. Auch die Möglichkeit, samt Haus umzuziehen, ist für mich faszinierend. Da ich noch jung bin und noch nicht genau weiss, wo ich wohnen möchte, ist diese örtliche Flexibilität sehr viel wert. Das Tiny House erlaubt mir zudem einen ökologischen Lebensstil: So ein kleines Zuhause braucht nicht viel Strom und Wasser und erhöht das Bewusstsein für die Knappheit natürlicher Ressourcen. Zuletzt muss ich natürlich noch erwähnen, dass mir Tiny Houses auch einfach optisch gefallen – und in einem Tiny House zu wohnen, stelle ich mir sehr gemütlich und praktisch vor.
Ausführliche Beweggründe unter: https://www.tiny-house-projekt.ch/mein-projekt/
Wie ist es, in einem Tiny House zu leben?
Ich lebe aktuell noch nicht im Tiny House, deshalb kann ich noch kein abschliessendes Fazit ziehen. Der Umzug ins Tiny House ist aber in ca. 1 Jahr geplant. Bis jetzt erlebe ich es aber als sehr gemütlich und zufriedenstellend, Zeit im Tiny House zu verbringen (ausser wenn ich am Bauen bin und zu viele Dinge im Weg rumliegen, was in so einem kleinen Raum schnell passiert). Wenn ich im Winter den Ofen einheize und vom kuschligen Sofa aus den Flammen zuschauen kann, oder im Sommer spätabends noch auf der Mini-Terrasse sitze und den Geräuschen lausche, bevor ich mich in der Loft zum Schlafen verkrieche, dann löst das viel Ruhe und Entspannung in mir aus. Ich kann schon jetzt sagen, dass es etwas ganz Besonderes ist, in einem selbstgebauten Haus zu wohnen – die Verbundenheit zu den eigenen vier Wänden ist viel grösser.
Verbringst du mehr Zeit mit den Dingen, die dir wichtig sind?
Da ich noch nicht im Tiny House wohne, kann ich diese Frage noch nicht abschliessend beantworten. Tatsache ist aber, dass man in einem Tiny House eindeutig weniger Platz für unnötige Dinge hat und dementsprechend nur noch Gegenstände behält, die wirklich wichtig sind. Von daher umgibt man sich automatisch nur noch mit Dingen, die einem wichtig sind. Ausserdem rechne ich damit, dass man wegen der tiefen monatlichen Kosten viel finanziellen Spielraum und somit mehr Freizeit gewinnt. So kann man tatsächlich seine Zeit mit mehr Dingen verbringen, die einem wichtig sind.
Gibt es etwas, was du vermisst?
Im Moment kann ich das noch nicht beantworten. Ich rechne nicht damit, dass ich im Tiny House viel vermissen werde, denn man gewinnt ja auch persönlich viel und ich habe zudem alles eingeplant, was ich brauche (sogar mein E-Piano, einen Schreibtisch, einen Backofen, eine Waschmaschine und ein Home-Kino). Was mir fehlen könnte, ist ein Geschirrspüler (Abwaschen nervt, aber ein Geschirrspüler hatte bei mir wirklich keinen Platz), ein grösserer Kühlschrank (aus Platzgründen habe ich einen eher kleinen genommen) und allenfalls ein Herd mit vier Platten (ich habe mich für einen Herd mit zwei Platten entschieden).
Was ist das Schwierigste und was das Beste am Leben in einem Tiny House?
Auch diese Frage kann ich noch nicht abschliessend beantworten. Schwierig könnte es sein, dass man – wenn man keine Bewilligung erhält – ständig mit etwas Unsicherheit lebt, ob man nicht bald umziehen muss. Von daher bin ich froh, dass der Verein Kleinwohnformen Schweiz auf Hochtouren an besseren Bedingungen für Kleinwohnformen arbeitet. Haustechnisch könnte ich mir vorstellen, dass es nerven kann, im Winter dauernd eigenständig zu heizen, und dass es besonders im Winter am Morgen kalt ist. Ausserdem muss man von der Loft runterklettern, wenn mal nachts mal auf die Toilette muss. Ebenfalls fürchte ich mich vor Schimmel im Tiny House, deshalb ist eine gute Belüftung zentral.
Ansonsten stelle ich mir das Leben im Tiny House eben nicht viel anders vor als in einer herkömmlichen Wohnung. Ich rechne damit, dass das Beste am Leben im Tiny House die gewonnene Freiheit (Finanzen, Freizeit) ist und die Tatsache, dass man das selbstgebaute Haus genau auf seine Bedürfnisse ausgerichtet hat und es so gut kennt wie die eigene Westentasche. Ebenfalls ist es toll, dass man mit dem Tiny House theoretisch immer wieder umziehen kann. Im Alltag kann ich mir vorstellen, dass es zu einer inneren Ruhe und einem besseren Fokus führt, wenn man nicht viel Ballast und nicht viel unnötige Dinge besitzt.
Möchtest du zukünftigen Tiny House Bewohnern sonst noch etwas mit auf den Weg geben?
Ich möchte vor allem zukünftigen Tiny-House-Bauer/innen etwas auf den Weg geben. Wenn ihr euch für diese Wohnform interessiert und mit der Idee spielt, ein Tiny House zu bauen, möchte ich euch ermutigen, es zu tun. Ich selbst hatte vor dem Bau noch nie einen Akkuschrauber in der Hand und ich habe es trotzdem geschafft. Dennoch möchte ich festhalten, dass so ein Projekt Jahre dauern kann und sehr viel Arbeit bedeutet. Ich weiss aber auch, dass so ein Hinweis jemanden, der/die von einem Tiny House träumt, niemals davon abhalten wird, sich an ein solches Projekt zu wagen. ;-) Und wenn es bei dir auch so ist, dann wirst du es auch schaffen. Mach dich vor dem Projekt schlau, plane gut, lies Blogs und Webseiten und vernetze dich mit anderen. Auf meinem Blog beantworte ich unter den FAQ z.B. viele Fragen, die sich Interessierte stellen, z.B. ob man ein Tiny House alleine bauen kann oder was es an persönlichen Voraussetzungen braucht, um so ein Projekt stemmen zu können. Lass dich nicht entmutigen durch skeptische Mitbürger/innen oder unklare gesetzliche Bedingungen. Es gibt fast immer Lösungen!