2. Welches Tiny House passt zu mir?

 

Welche Bedürfnisse hast du?

In der ersten Lektion haben wir dir den Auftrag gegeben, deine Gewohnheiten wahrzunehmen, wo du dich am meisten und am liebsten aufhältst. Deine Bedürfnisse und die Bedürfnisse deiner Mitbewohner (welche sich gerade im Fall von Kindern auch sehr schnell ändern können!) genau zu kennen, ist die erste Voraussetzung, dass ein späteres Leben im Tiny House überhaupt funktionieren kann.

Denn durch die minimale Grösse, ist es wichtig, Prioritäten zu setzen: Wer gerne und viel kocht, baut sich eine grössere Küche ein, als jemand, der gerade mal weiss, wie die Mikrowelle zu bedienen ist.

Wer einen Rückzugsraum braucht, sollte eine Wand einbauen. Wer gerne auf der Couch lümmelt: dafür mehr Platz einplanen. Tiny Häuser funktionieren unserer Meinung nach dann am besten, wenn sie auf ihre Bewohner abgestimmt sind.

Wie viel Platz brauchst du?

Die meisten Tiny Houses besitzen eine Grundfläche von mindestens 14 Quadratmeter (6mx2.5m) und nützen die 4m Höhe (vom Boden gemessen, nicht vom Anhängeraufsatz!). Je nach Fundament kann die Grundfläche aber auch deutlich grösser sein. Ein LKW-Anhänger oder eine Wechselbrücke ergeben da deutlich mehr Spielraum als ein PKW-Anhänger, der beladen maximal 3.5 Tonnen wiegen darf. Mehr zu den möglichen Fundamenten erfährst du in Lektion 3.

1 oder 2 Stockwerke?

Viele Tinys haben ein Loft eingebaut. Vorteil ist, dass die Grundfläche vom Anhänger nicht grösser sein muss, aber der Raum sozusagen teilweise doppelt genutzt werden kann. Das macht sich auch in den Kosten ersichtlich, denn anstatt einen weiteren Raum komplett auszustatten, werden mehr oder weniger nur ein paar Balken und Bretter für den Zwischenboden gebraucht.

Nachteile sind dafür, dass die Stehhöhe unten eingeschränkt ist, die Schlafzimmerhöhe meist gerade nur zum Sitzen reicht und ein Weg gefunden werden muss über Treppe, Kletterwand oder Leiter hochzuklettern, ohne viel Platz auf der unteren Ebene zu klauen. Bekanntlich steigt Wärme auch nach oben, wodurch ein Vorhang oder sonstige Abtrennung von Vorteil ist.

Wenn du ein Loft haben möchtest, überlege dir, welche Verbindung zum 2. Stock es gibt. Hier ein paar mögliche Optionen:

  • Treppenschrank
  • Kletterwand
  • „normale“ Treppe
  • Stange (für die ganz sportlichen)
  • Leiter

Wie mobil willst du sein?

Tiny Häuser in Deutschland sind meist nicht darauf ausgelegt als Wohnwagenersatz genutzt zu werden. Viel öfters sind sie zwar mobil, aber nicht darauf ausgelegt, dass Ding alle zwei Wochen umzuparken. Zum Reisen ist es nämlich oft praktischer, einen Wohnwagen zu besitzen, da dieser darauf ausgelegt ist; von der aerodynamischen Form bis hin zu den Schrankverschlüssen. Gerade wenn dein Haus einen zweiten Stock besitzen soll, kommst du unter einigen Brücken gar nicht durch, die dummerweise oft zu den schönen Campingplätzen führen würden. Zudem gibt es auf vielen Campingplätze ein Höchstmass, das deutlich unter den 4m für die Strassenzulassung liegt.

Autark?

Es klingt toll: Ein wasser- und energieautarkes Tiny House zu besitzen, mit welchem man überall stehen kann. Es reinigt  Wasser und produziert Strom. Doch alles hat seinen Preis. Zum einen kommt es sehr darauf an, auf welchem Fundament du dein Haus haben möchtest. Autarkie-Sets sind meist nicht sehr leicht und auch relativ kostenintensiv. Es kommt also darauf an, ob du dein Haus auf 3.5 Tonnen Gewicht auslegst, oder ob du auf Punktfundament oder fest verbaut hast und kein Transport geplant ist. Eine Lösung, das Gewicht nicht im Haus zu haben, wäre eine Technikbox zusätzlich zum Haus zu bauen, die dann separat umgezogen wird.

Viel Technik braucht auch viel Platz. Dieser sollte bei der Planung mit einfliessen oder auch in eine Technikbox draussen eingeplant werden. Technik braucht meist auch Wartung, d.h. du müsstest lernen, wie du das selber machen kannst, oder jemanden beauftragen.

Das schöne Bild vom Tiny House mitten in der Natur ist zumindest in Deutschland leider nicht so einfach umsetzbar. Oder auch zum Glück, denn die Natur braucht auch ihren Rückzugsort und wenn einfach alle sich dahinstellen können, würde das auch heissen, dass sie die volle Verantwortung dafür übernehmen müssten: Nur biologisch abbaubare Mittel für den Haushalt, möglichst gar keine Asphaltstrasse dahin (sonst wird noch mehr Fläche versiegelt).

Den Traum vom Tiny am Rande der Welt weg von allen nervenden Nachbarn kannst du dir also gleich wieder abschminken. Ein Tiny House ist ein Haus. Sofern du nicht illegal irgendwo stehst, bis du weggejagt wirst, wird in den meisten Orten dein Tiny House an das normale Wasser- und Stromnetz angeschlossen werden müssen. Je nach Ort, Gemeinde, Staat hast du vielleicht auch Glück und sie sind offener für das Thema Autarkie.

Je nach dem, wo dein Haus steht, wäre es vielleicht auch sinnvoller, das Grundstück und nicht nur dein Tiny House autark zu gestalten. Wenn du in einer Gemeinschaft mit Hauptgemeinschaftshaus stehen möchtest, würde es unserer Meinung nach mehr Sinn machen, die Gemeinschaft autark zu machen. Felix ist darüber gerade am doktorieren, wie das funktionieren könnte. Stay tuned!

Wir haben uns für die non-autarke Version entschieden. Die Villa Kuntergrün ist ans Strom- und Wassernetz angeschlossen, hat aber schon Extra-Wasserleitungen für Regenwassernutzung verlegt, kann mit einer Solaranlage ausgestattet werden (muss aber zum Transport entfernt werden) und hat eine Regenrinne zur Sammlung von Wasser. Wir haben eine Trockentrenntoilette und könnten unser Grauwasser somit auch durch eine Filteranlage leiten, da wir nur biologisch abbaubare Produkte in unserem Haushalt verwenden.

Wann nutzt du dein Haus?

Tiny Häuser werden längst nicht nur als Wohnsitz genutzt. Oft sind es Ferienhäuschen, Büros, Kinderzimmer oder mobile Bankfilialen (GLS aus Deutschland). Obwohl wir es natürlich am sinnvollsten finden, ein Tiny House auch zum Wohnen zu nutzen – da dies der Wohnungsknappheit entgegenwirkt- solltest du dir bewusst werden, wofür genau du dein Häuschen nutzen möchtest. Das kann sich natürlich auch über die Jahre ändern – am besten also schon mal im Kopf ein paar Jahre vorspulen, denn was, wenn da plötzlich zwei Kinder mit am Start sind oder du ans andere Ende der Welt ziehen möchtest?

Wo steht dein Haus?

Oft sieht man in amerikanischen Tiny House Videos unglaubliche Bauten. Das liegt oft daran, dass die Vorschriften anders sind und dass das Klima auch deutlich wärmer sein kann als in Deutschland oder der Schweiz.

Genau wie es bei normalen Häusern verschiedene Baustile gibt, die oft an die regionalen Wetterbedingungen angepasst sind, ist es wichtig zu überlegen, wo dein Häuschen stehen wird. In Schweden wird eine andere Dämmschicht nötig sein als in Spanien.

 

Probewohnen

Was wir dir ans Herz legen: Bevor du dein eigenes Tiny House planst und baust oder kaufst, besichtige ein Tiny House (möglichst so eins, wie du es dir selber wünschst). Und wohne, wenn es irgendwie geht Probe. Es gibt einige Tiny Houses, die vermietet werden als „Hotelzimmer“. Wenn du keins findest, geh zumindest mal in einen Wohnwagen oder Bungalow auf dem Campingplatz übernachten.

Je länger, desto besser – und gutes Wetter muss es auch nicht sein. Denn jetzt findest du heraus, ob es wirklich cool ist, oder ob die schönen Bilder aus dem Internet dich ein wenig verblendet haben, und du und deine allfälligen Mitbewohner auf so engem Raum vielleicht schon nach ein paar Tagen Koller bekommt.

Wenn das alles nicht geht, versuch mal in deinem jetztigen Zuhause „tiny“ zu spielen. Schlafzimmer ins Wohnzimmer räumen und auch das Büro dahin verlegen…

Lieber du findest jetzt heraus, dass du auf jeden Fall ein grosses Tiny House oder zwei Wägen brauchst, anstatt das in der ersten Woche nach dem Einzug zu bemerken…

Und wenn du nämlich jetzt herausfindest, dass Tiny Houses genau dein Ding sind, dann motiviert dich das umso mehr! Go for it :D

PS: Falls du im Laufe dieses Kurses herausfindest, dass du doch nicht so für das Tiny Living geschaffen bist, ist das vollkommen okay. Für viele ist es auch ein Lebensabschnitt, den sie im Tiny House leben. Vielleicht kommt deiner ja doch noch, einfach etwas später?

 

 

 

Aufgabe: Welche Bedürfnisse haben die Bewohner?

  • Schreibe eine Liste deiner eigenen Bedürfnisse auf. Auf welche Dinge kannst du unmöglich verzichten? Welchen Beschäftigungen gehst du regelmässig nach?
    • Sport: Fahrrad, Ski, Klettern, Surfen, etc.
    • Musik: Instrumente, Technik
    • Kochen: Küchengeräte, Ofen, Spülmaschine, Herd
    • Filme: Leinwand, Fernseher, Laptop?
  • Erfrage oder überlege dir die Bedürfnisse deiner Mitbewohner: Partner/in, WG-Gspändli, Haustiere, Kinder
  • Überlege dir, wie sich die Bedürfnisse in den nächsten 10 Jahren ändern könnten. Hier ein paar Beispiele:
    • Schwangerschaft: ist eine Leiter das richtige, wenn du/ihr plant, bald ein Kind zu bekommen?
    • Alter: Ein zweiter Stock mit kleiner Treppe oder Leiter ist unter Umständen nicht so einfach zu erreichen, wenn die Gelenke nicht mehr ganz fit sind
    • Haustier: Sobald du endlich die Mietwohnung verlassen kannst, wünschst du dir einen Hund, eine Katze oder ein Minischwein: Welche Bedürfnisse bringt denn dein zukünftiges Haustier mit sich?
    • Deine Kinder kommen in die Pubertät und wollen vielleicht nicht ewigs mit Mami und Papi im Bettchen schlafen: Kann ein zweites Tiny House angebaut werden?
  • Schaue dir so viele Beispiele von Tiny Houses und ihren Bewohner wie möglich an, damit du siehst, welche Raumaufteilungen zu dir passen könnten und was gar nicht geht. Schreibe dir am besten die Ideen auch auf – das ist eine wichtige Vorbereitung für die Planung.

Aufgabe: Wie viel Platz brauchst du?

  • In diesem Dokument findest du Beispiele für Grundrisse. Erstelle eine Liste mit Dingen, die du zusätzlich brauchst (bspw. Klavier, Ofen, Badewanne, Kinderzimmer, etc.)
  • Zeichne deine gewünschten Möbel auf oder schneide die in den Grundrissen verwendeten Möbel aus und spiele mit deinen ersten Grundrissen in den verschiedenen Grössen eines möglichen Tiny Houses. Falls du schon ein bestimmtes Fundament / Trailer kennst, probier sie gerne auch darauf aus.

 

Aufgabe: Mobilität

  • Wie oft bist du in letzter Zeit umgezogen und wie oft möchtest du dies in Zukunft tun?
  • Bist du eher ein „Hier-bin-ich-und-hier-bleib-ich-Typ“ oder ein „Die-Welt-ist-mein-Zuhause-Typ“?
  • Möchtest du dein Tiny House bei einem Umzug mitnehmen können?
  • Möchtest du dein Tiny House öfters als 1 mal im Jahr umziehen?
  • Möchtest du mit deinem Tiny House in Urlaub fahren – respektive über Winter einen anderen Standort als im Sommer haben?

Teile deine Ergebnisse auch gern im Forum :)

 

Weitere Ressourcen